Kuratorinnen: Vendula Fremlová, Anna Vartecká & Terezie Petišková Künstlerinnen: Marie Blabolilová (CZ), Klára Bočkayová (SK), Inge Kosková (CZ), Anežka Kovalová (CZ), Inge Mahn (D), Adéla Matasová (CZ), Sonja Rolfs (D), Jitka Svobodová (CZ), Barbara Camilla Tucholski (D), Jana Želibská (SK)
Jana Želibská, Hot breakfast, 2017, Lichtbox, Detail, Installationsansicht
In Zusammenarbeit mit The Brno House of Arts, CZ
und Faculty of Art and Design Jan Evangelista Purkyně University in Usti nad Labem, CZ
Eine Ausstellung, die den Schwerpunkt auf männliche Künstler legt, entspricht so sehr dem bis heute strukturell begründeten Prinzip des Kunstbetriebs, dass eine geschlechtsspezifische Ausstellungskonzeption unter dem Label „Kunst von Männern 65+“ absurd erscheinen würde.
Eine Ausstellung mit Kunst von Frauen über 65 Jahre kann als transitorischer Reflex auf das ungleiche Verhältnis zur repräsentierten jungen und/oder männlichen Kunst begriffen werden. Die Einsicht, dass in einer solchen geschlechtsspezifischen Selektion potenziell eine implizite Form der Diskriminierung der Künstlerin angelegt ist, verdeutlicht, dass trotz eines Konsens über die eingeforderte Teilhabe von Frauen im Ausstellungsbetrieb nach wie vor das Thema der Unterrepräsentation in Bereichen der Kunst (und Gesellschaft) zur Diskussion zu stellen ist.
Am Beginn des letzten Jahrhunderts bemerkte bereits Georgia O‘Keeffe humorvoll auf die abwertende, weil unter anderem verharmlosende, mystifizierende oder auf‘s Emotionale eingrenzende Konnotation einer als weiblich markierten Kunst: „The men liked to put me down as the best woman painter. I think I‘m one of the best painters.“
Die in der Altersbeschränkung ausgedrückte Aufmerksamkeit gegenüber der künstlerischen Produktivkraft des Alters könnte als ein Hinweis auf entsprechende Entwicklungen wie der Verschiebung von Altersgrenzen im Rentensystem interpretiert werden: dem Zwang (weiter-)arbeiten zu müssen, statt der Freiheit tätig sein zu können.
Die Ausstellung Grey Gold:at my fingertips ist eine Weiterentwicklung des Ausstellungsprojektes Grey Gold. Czech and Slovak female artists over 65, deren anfängliche Entwicklung bis in das Jahr 2010 zurückreicht. Das Projekt, das darauf abzielte, die Aufmerksamkeit gegenüber dem Spätwerk tschechischer und slowakischer Künstlerinnen – die von wenigen Ausnahmen abgesehen der Kunstszene fern blieben – zu erhöhen, umfasste zwei Ausstellungen, im Brno House of Arts (Tschechien, 2014) und in der Nitra Gallery in Nitra (Slovakei, 2015), außerdem die Herausgabe der gleichnamigen Publikation Grey Gold.
Eine systematische Untersuchung der Gespräche war ein wesentlicher Bestandteil des Projekts. Die Interviews konzentrierten sich auf die Verbindung zwischen Alter, künstlerischer Produktion und Kreativität, auf Möglichkeiten, die gegenwärtigen Phasen des Lebens zu erforschen, auf Bemühun-gen, die eigenen Produktionen im Laufe der Zeit introspektiv zu bewerten, und auf Zusammenhänge zwischen Geschlecht und künstlerischer Produktion.
In der Zwischenzeit haben sich viele Dinge geändert. Leider sind bedeutende Künstlerinnen, die in den 1920er und 1930er Jahren geboren wurden, und in den ersten beiden Ausstellungen vertreten waren (Dagmar Hochová, Adriena Šimotová, Daniela Vinopalová, Daisy Mrázková, Ludmila Padrtová, Eva Fuková) mittlerweile verstorben. Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb wir grundlegende Änderungen an der Konzeption der Ausstellung vornehmen mussten. In Zusammenarbeit mit Andreas Wegner, dem künstlerischen Leiter des Kunstvereins für Mecklenburg & Vorpommern in Schwerin, haben wir eine reduzierte Auswahl an tschechischen und slowakischen Künstlerinnen mit drei deutschen Künstlerinnen (Inge Mahn, Sonja Rolfs und Barbara Camilla Tucholski) ergänzt, um die Ausstellung für transnationale kulturelle Überschneidungen zu öffnen. Die Kuratorin des Staatlichen Museums Schwerin, Dr. Kornelia Röder, führte die Interviews mit den deutschen Teilnehmerinnen durch.
Nach und nach zeigte sich das Thema der Reflexion über Dinge, die dem Herzen am nächsten sind – in einem sehr allgemeinen Sinn des Wortes – als Bindeglied zwischen der künstlerischen Produktion der ausgewählten Künstlerinnen, die in den 1940er Jahren geboren wurden. In teilweise vergleichbaren künstlerischen Ansätzen nähern sich die Künstlerinnen auf die eine oder andere Weise domestizierten Objekten und Situationen, die an das rational Identifizierbare grenzen, das immer noch in der Welt als verankert gilt, und diese Bedeutung gleichzeitig dank seiner Universalität transzendiert.
Ein Versuch, die sozialen, politischen und kulturellen Einflüsse zu bewerten und die oben beschriebenen Themen in eine Beziehung zu deutschen Milieus zu stellen, ist eine große Herausforderung für uns. Wir sehen den Start des Projekts im Kunstverein für Mecklenburg & Vorpommern in Schwerin als Beginn einer systematischen Untersuchung spezifischer Formen der Nachkriegskunst im europäischen Kontext.
In Zusammenarbeit mit The Brno House of Arts, CZ
und Faculty of Art and Design Jan Evangelista Purkyně University in Usti nad Labem, CZ
Eine Ausstellung, die den Schwerpunkt auf männliche Künstler legt, entspricht so sehr dem bis heute strukturell begründeten Prinzip des Kunstbetriebs, dass eine geschlechtsspezifische Ausstellungskonzeption unter dem Label „Kunst von Männern 65+“ absurd erscheinen würde.
Eine Ausstellung mit Kunst von Frauen über 65 Jahre kann als transitorischer Reflex auf das ungleiche Verhältnis zur repräsentierten jungen und/oder männlichen Kunst begriffen werden. Die Einsicht, dass in einer solchen geschlechtsspezifischen Selektion potenziell eine implizite Form der Diskriminierung der Künstlerin angelegt ist, verdeutlicht, dass trotz eines Konsens über die eingeforderte Teilhabe von Frauen im Ausstellungsbetrieb nach wie vor das Thema der Unterrepräsentation in Bereichen der Kunst (und Gesellschaft) zur Diskussion zu stellen ist.
Am Beginn des letzten Jahrhunderts bemerkte bereits Georgia O‘Keeffe humorvoll auf die abwertende, weil unter anderem verharmlosende, mystifizierende oder auf‘s Emotionale eingrenzende Konnotation einer als weiblich markierten Kunst: „The men liked to put me down as the best woman painter. I think I‘m one of the best painters.“
Die in der Altersbeschränkung ausgedrückte Aufmerksamkeit gegenüber der künstlerischen Produktivkraft des Alters könnte als ein Hinweis auf entsprechende Entwicklungen wie der Verschiebung von Altersgrenzen im Rentensystem interpretiert werden: dem Zwang (weiter-)arbeiten zu müssen, statt der Freiheit tätig sein zu können.
Die Ausstellung Grey Gold:at my fingertips ist eine Weiterentwicklung des Ausstellungsprojektes Grey Gold. Czech and Slovak female artists over 65, deren anfängliche Entwicklung bis in das Jahr 2010 zurückreicht. Das Projekt, das darauf abzielte, die Aufmerksamkeit gegenüber dem Spätwerk tschechischer und slowakischer Künstlerinnen – die von wenigen Ausnahmen abgesehen der Kunstszene fern blieben – zu erhöhen, umfasste zwei Ausstellungen, im Brno House of Arts (Tschechien, 2014) und in der Nitra Gallery in Nitra (Slovakei, 2015), außerdem die Herausgabe der gleichnamigen Publikation Grey Gold.
Eine systematische Untersuchung der Gespräche war ein wesentlicher Bestandteil des Projekts. Die Interviews konzentrierten sich auf die Verbindung zwischen Alter, künstlerischer Produktion und Kreativität, auf Möglichkeiten, die gegenwärtigen Phasen des Lebens zu erforschen, auf Bemühun-gen, die eigenen Produktionen im Laufe der Zeit introspektiv zu bewerten, und auf Zusammenhänge zwischen Geschlecht und künstlerischer Produktion.
In der Zwischenzeit haben sich viele Dinge geändert. Leider sind bedeutende Künstlerinnen, die in den 1920er und 1930er Jahren geboren wurden, und in den ersten beiden Ausstellungen vertreten waren (Dagmar Hochová, Adriena Šimotová, Daniela Vinopalová, Daisy Mrázková, Ludmila Padrtová, Eva Fuková) mittlerweile verstorben. Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb wir grundlegende Änderungen an der Konzeption der Ausstellung vornehmen mussten. In Zusammenarbeit mit Andreas Wegner, dem künstlerischen Leiter des Kunstvereins für Mecklenburg & Vorpommern in Schwerin, haben wir eine reduzierte Auswahl an tschechischen und slowakischen Künstlerinnen mit drei deutschen Künstlerinnen (Inge Mahn, Sonja Rolfs und Barbara Camilla Tucholski) ergänzt, um die Ausstellung für transnationale kulturelle Überschneidungen zu öffnen. Die Kuratorin des Staatlichen Museums Schwerin, Dr. Kornelia Röder, führte die Interviews mit den deutschen Teilnehmerinnen durch.
Nach und nach zeigte sich das Thema der Reflexion über Dinge, die dem Herzen am nächsten sind – in einem sehr allgemeinen Sinn des Wortes – als Bindeglied zwischen der künstlerischen Produktion der ausgewählten Künstlerinnen, die in den 1940er Jahren geboren wurden. In teilweise vergleichbaren künstlerischen Ansätzen nähern sich die Künstlerinnen auf die eine oder andere Weise domestizierten Objekten und Situationen, die an das rational Identifizierbare grenzen, das immer noch in der Welt als verankert gilt, und diese Bedeutung gleichzeitig dank seiner Universalität transzendiert.
Ein Versuch, die sozialen, politischen und kulturellen Einflüsse zu bewerten und die oben beschriebenen Themen in eine Beziehung zu deutschen Milieus zu stellen, ist eine große Herausforderung für uns. Wir sehen den Start des Projekts im Kunstverein für Mecklenburg & Vorpommern in Schwerin als Beginn einer systematischen Untersuchung spezifischer Formen der Nachkriegskunst im europäischen Kontext.
Vendula Fremlová und Anna Vartecká, Kuratorinnen